Mittwoch, 21. September 2011

Aktienfonds - nicht mehr durchschaubar

aktienfonds-vgwortSeit 2008 habe ich ein paar Anteile an einem Ökologie-Aktienfonds in meinem Depot. Zumindest dachte ich, dass es ein Themen-Aktienfonds (Branchenfonds) ist. Ich muss zugeben, dass ich ihn mir damals vor allem nach dem Namen ("Ökologie weltweit"), der Fungibilität (regelmäßig an mehreren Börsen gehandelt), wegen positiver Bewertungen und der Stärke, die ich in seinem Chart sah, gekauft habe. Den Verkaufsprospekt (über 100 Seiten), den Vereinfachten Prospekt (knapp 150 Seiten) und den Jahresbericht (480 Seiten) habe ich nur überflogen.

Umso böser war das Erwachen, als ich im Zuge von ganz anderen Recherchen diesen Aktienfonds noch einmal unter die Lupe nahm. Im Fondsprofil des Ökologie-Fonds fiel mir jetzt erst der Satz auf: “... investiert zu mindestens zwei Drittel in ein diversifiziertes Portfolio aus Aktien und aktiengebundenen Instrumenten von Unternehmen, die umweltfreundliche Produkte ...”.


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Mit anderen Worten:
  • Zwei Drittel des Fondsvermögens wird in das Thema Ökologie gesteckt, ein Drittel kann theoretisch in ganz etwas anderes angelegt werden.
  • “Aktiengebundene Instrumente” ist vermutlich die Kurzform für "Finanzinstrumente, deren Preise von Aktienkursen abhängig sind". Also mit anderen Worten: Es geht um Derivate - spekulative Finanzinstrumente, die man als Investor eventuell gar nicht im Depot haben will bzw. wenn, dann nur zu einem selbst definierbaren Teil.
Nicht zu finden im Porträt war etwas über die Anlagestrategie, z. B.
  • Welche Ökologie-Maßstäbe bzw. Nachhaltigkeitsmaßstäbe bei Nachhaltigkeitsfonds angesetzt werden
    In-/Out-Kriterien: Wird beispielsweise ein Unternehmen, das Windräder und Atomkraftwerke baut, als ökologisch eingestuft?
  • Wie viel % des Fondsvermögens wird überhaupt in Aktien und wie viel in "aktiengebundene Instrumente" investiert?
  • Welche "aktiengebundenen Instrumente"?
  • Wie "aktiengebundene Instrumente" eingesetzt werden
    Zum Hedgen/Absichern des Währungsrisikos? Als Long-Short-Positionen wie bei manchen Hedgefonds - wobei man da auf schwache Marktteilnehmer short geht und auf die starken long und dadurch in guten und schlechten Börsenzeiten Gewinne macht?
Tatsächlich fand ich im letzten Jahresbericht der Fondsgesellschaft Hinweise, dass es bei den Derivaten in meinem Aktienfonds anscheinend um Devisengeschäfte, Devisenterminkontrakte, Finanzterminkontrakte (Futures?) ging.

Ich habe danach noch andere Aktienfonds/Investmentfonds unter die Lupe genommen und musste bei manchen Ähnliches feststellen. Ich kam ins Grübeln.

Aktienfonds - kann man sie noch guten Gewissens empfehlen?

Da ich über Geld-Blogs und Themen-Webseiten meine Kenntnisse und Erfahrungen mit Geldanlage und Börse weitergebe, muss ich mir zu den verschiedenen Geldanlagemöglichkeiten eine Meinung bilden. Aktienfonds habe ich immer gerne auch Anfängern als "Korb von Aktien" für ihr Depot empfohlen. Aber wie viel Aktien sind überhaupt noch in einem Aktienfonds? Beziehungsweise: Müsste es nicht einen Mindestprozentsatz geben, damit man so ein Konstrukt überhaupt "Aktienfonds" nennen darf?

Inzwischen bin ich fast an dem Punkt, dass ich Aktienfonds völlig von meiner Empfehlungsliste streichen möchte.

Ich kritisiere nicht grundsätzlich den Einsatz von Derivaten oder Long-Short-Positionen. Sie sind schließlich auch nützlich, um Risiken (z. B. das Währungsrisiko) abzusichern. Ich will nur, dass man als Privatanleger schnell und einfach erkennen kann, was man kauft. Und das ist derzeit bei Aktienfonds/Investmentfonds oft nicht möglich.

Traditionell war ein Aktienfonds ein Fondsvermögen, das in Aktien nach einer bestimmten Vorgabe (Anlagestrategie etc.) investiert wurde.
Mit OGAW/UCITS (-> Wikipedia) wurde der Einsatz von Derivaten in Investmentfonds zugelassen/erweitert. Die EU-Richtlinien sollen dabei für mehr Transparenz sorgen. Aber nach meinem Eindruck gibt es zwar einen Haufen Dokumente (Verkaufsprospekt, Wesentliche Informationen für den Anleger - Kurz- und Langfassung, Rechenschaftsberichte - Hunderte von Seiten) zu lesen, aber die meiner Meinung nach wichtigen Dinge findet man darin oft nicht oder unverständlich.

Ich erwarte von einer Fondsgesellschaft und einem Fondsmanager nicht nur, dass sie gesetzliche Vorschriften einhalten, gute Unternehmen rauspicken und gute Strategien anwenden, sondern auch, dass sie Transparenz wichtig nehmen und dass sie sich als Stellvertreter und Bevollmächtigte der Investoren sehen (und diese und deren Interessen auch auf den Hauptversammlungen der Unternehmen vertreten und nicht ihre eigenen). Und Transparenz bedeutet nicht, möglichst umfangreiche Dokumente zu produzieren, sondern auf den ersten Blick verständlich zu machen, um was es geht.

Aktienfonds/Investmentfonds - Transparenz gefordert

Mir ist bewusst, dass Fondsmanager unter großem Konkurrenzdruck stehen, nicht zuletzt wegen der einfachen Vergleichbarkeit der Performance auf unzähligen Internetplattformen, und dass sie mit dem Einsatz von Derivaten die Performance verbessern wollen. Aber wenn ich mein Gespartes investiere/anlege, dann möchte ich wissen, was damit passiert: In welche Unternehmen es fließt und nach welchen Anlagestrategien es eingesetzt wird!

Bei der Auswahl eines Investmentfonds/Aktienfonds, möchte ich schnell und einfach erkennen können
  • Nach welchen Gesichtspunkten die Aktien, in die investiert wird, ausgewählt werden,
    beispielsweise welche "Ökologie-Kriterien" und welche "Performance-Kriterien" zur Auswahl angesetzt werden.
  • In wie viel Prozent Aktien und in maximal wie viel Prozent Derivate das Fondsvermögen investiert wird. 
  • Welche Arten von Derivaten genutzt werden.
Diese Informationen sollten im Namen des Fonds (beispielsweise Klassifizierung nach Derivate-Anteil) oder spätestens im Fonds-Kurzporträt, das auf den Internetseiten der Fondsgesellschaft und der Börsen-Plattformen gezeigt wird, auftauchen - und nicht irgendwo in umfangreichen und unverständlichen Prospekten, die teilweise zig Teilfonds und unzählige unverständliche Verweise und Fussnoten enthalten. Schön, wenn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungenaufsicht (-> BaFin) etwas damit anfangen kann - ich kann es in vielen Fällen nicht.

Siehe auch Aktienfonds, ETFs bei tinto.de.


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Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre Ansichten zur Transparenz bei Aktienfonds mit mir über die Kommentarfunktion teilen.

Darüber hinaus würde mich interessieren, ob jemand weiß, wie die Auswirkungen für die Aktiengesellschaften sind, wenn Fondsvermögen nicht mehr direkt in Aktien, sondern zu einem Teil über Derivate-Kanäle (mit Barausgleich statt Lieferung?) beziehungsweise über eine Anlagen-/Swaps-Kombination investiert werden.

2 Kommentare:

  1. Grundsätzlich weißen Aktienfonds im Vergleich zu Rentenfonds ein erhöhtes Risiko auf, jedoch auch eine erhöhte Chance auf Kursgewinne. Aktuell würde ich das mögliche Risiko beider Fondsarten jedoch gleichsetzten, wobei die Chancen auf Kursgewinne bei Rentenfonds wesentlich hinter denen von Aktienfonds zurück liegen. Aktienfonds werden durch die expansive Geldpolitik getrieben. Wohingegen Rentenfonds derzeit extrem dem Zinssatzrisiko ausgesetzt sind. Bei niedrigen Zinsen ist der Gewinn meist schon in den Rentenfondskursen eingepreist, sodass man dem Risiko von steigenden Zinssätze, somit fallenden Anleihenkursen, direkt ausgesetzt ist. Auch wenn man immer hört, dass Rentenfondseine konservative Anlage sind, sind sie meiner Meinung aktuell risikomäßig beinahe mit Aktienfonds gleichzusetzen. Das Chancen/Risikoverhältnis gewinnen aktuell sicherlich die Aktienfonds!

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  2. Mir ging es eigentlich nicht um das Risiko, sondern darum, dass ich bestimmen möchte, was mit meinem Geld passiert und wofür es eingesetzt wird sowie wofür sich die Fondsgesellschaft einsetzen wird.

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